Untrennbar – Warum Netz und Betrieb zusammengehören

Von Jacob Spanke

Eine Heraustrennung der Infrastruktur aus dem integrierten DB Konzern würde in der für das Wachstum entscheidenden Phase zu einer Lähmung der Branche führen und von den prioritären Themen ablenken: Investitionen, Innovationen und Ressourcenaufbau für Wachstum, Qualität und Pünktlichkeit. Das ginge zu Lasten der dringend erforderlichen Verkehrs- und Klimawende.

Für einen integrierten Konzern: Was für eine Einheit von Netz und Betrieb spricht

Wissensspillover: Betrieb und System werden bei Investitionen, Qualitätsinitiativen und Projekten zusammengedacht und damit auch produziert. Die Klammerfunktion des integrierten Konzerns sorgt dafür, dass das Netz nicht nur die eigenen Interessen im Blick hat und für die Interessen der Kunden kämpft. Aktuelle Beispiele sind Investitionen und Programme für den Mobilfunk- und Breitbandausbau, die PlanStart-Teams in den großen Knoten, das Störfallmanagement, die Vegetationskontrolle, Pilotprojekte im Bereich Lärm und alternative Antriebe.

Technologische Treiberfunktion und Systemkompetenz: Im integrierten Konzern bestehen ein großes Interesse und starke Kompetenzen, den Systemnutzen des Rad-Schiene-Systems zu optimieren und Innovationen voranzutreiben. Beispiele sind die Digitale Schiene Deutschland (Digitaler Knoten Stuttgart oder auch der digitale, teilautonome Betrieb bei der S-Bahn Hamburg), das Advanced Train Lab, der DB Navigator oder der 3D-Druck, der nach der Entwicklung bei der DB branchenweit eingesetzt wird.

Digitale Schiene: Die Schiene wird digital. Spätestens jetzt sind Züge mobile Teile der Infrastruktur und müssen zusammen gedacht werden. Ganz eindrücklich am Beispiel Zugortung für ETCS Level 3: Das für die sichere Fahrerlaubnis verantwortliche Netz kann sich heute auf die eigene Gleisfreimeldetechnik verlassen und künftig auf die Ortungsinformationen der Züge.

Ein Blick nach draußen: Erfolgreiche Bahnen wie in der Schweiz, Österreich, Russland und Japan sind integriert. Das Vereinigte Königreich hat vor 25 Jahren eine Trennung vollzogen und versucht seitdem, die negativen Folgen zu heilen. Der Markt und die Branche sind seitdem geschrumpft, Innovationen sind auf dem Tiefstand, die Gesamtkosten je Kilometer doppelt so hoch wie in der topographisch anspruchsvollen Schweiz. Frankreich hat die Trennung mittlerweile rückgängig gemacht, da Verkehrsbetreiber und Infrastruktur in einem Dauerstreit lagen.

Synergien: Redundanzen lassen sich im integrierten Konzern vermeiden. Overheadfunktionen z.B. im Bereich Personal und Recruiting werden gebündelt und der Koordinierungsaufwand begrenzt. Das spart Kosten auch im Netz und kommt dem ganzen Sektor zu Gute. Eine von den europäischen Bahnen gemeinsam beauftragte Studie von 2012 beziffert die Kosten einer Trennung für die ganze EU bereits auf rund sechs Mrd. Euro pro Jahr. Mehr Schnittstelle schaden dem komplexen Bahnsystem, das zeigt u.a. das Beispiel Vereinigtes Königreich.

Konzernweiter Arbeitsmarkt: Im jetzigen System kann der konzernweite Arbeitsmarkt Fachpersonal da einsetzen, wo es gebraucht wird, mit den gleichen Konditionen. Das schafft Sicherheit für die Beschäftigten. Auch die Qualifizierung wird leichter möglich, weil für sehr spezialisierte Kombinationen in einem großen Unternehmen Bedarf besteht.

Personal mitdenken: Die Schiene leidet wie viele andere Branchen unter einem Fachkräftemangel. Die Beschäftigungsbedingungen sind im integrierten Konzern branchenweit am besten und bieten damit auch die Möglichkeit aus anderen Branchen Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten. Da die Gehalts- und Sicherheitsstrukturen bei den Wettbewerbern im Schienenverkehr immer noch unter dem Niveau der DB AG liegen, kann dieser Vorteil verloren gehen. Auch das kulturelle Zusammengehörigkeitsgefühl im DB-Konzern ist ein wichtiger Faktor für die Arbeitgeberattraktivität.

Funktionierender Wettbewerb: Die gesetzlichen Regelungen sehen vor, dass auch im integrierten Konzern Netz und Betrieb rechtlich und organisatorisch getrennt sind und das Netz in seinen Entscheidungen über die Zuweisung von Zugtrassen und Wegeentgelte unabhängig ist. Die Bundesnetzagentur wacht effektiv über den diskriminierungsfreien Netzzugang. Nirgendwo in Europa sind so viele Bahnen auf dem Markt wie in Deutschland. Die Einschätzung wurde jüngst durch den Marktbeobachtungsbericht der Bundesnetzagentur bestätigt. Der zusätzliche Regulierungsaufwand steht – wenn es ihn überhaupt gibt – in keinem Verhältnis zu den massiven Kosten und Nachteilen einer Trennung.

Faktor Zeit: Wie viel Zeit wird eine große Bahnreform kosten und wie sieht eine Prioritätensetzung bei einer möglichen Regierungsbeteiligung aus? Reorganisationen und erst recht Ausgliederungen brauchen viel Zeit und führen zu großen Unsicherheiten bei den Mitarbeitenden. Strukturdebatten lähmen den Sektor kurz- und mittelfristig und damit auch die Verkehrswende. Klimaschutzziele, die im Verkehr deutlich ambitionierter werden müssten, wären in Gefahr.

Konstruktive Lösungsansätze: An den richtigen Schrauben drehen

Wachstumskurs fortführen: Ärgernisse in der Betriebsqualität gehen vor allem auf die Unterfinanzierung der Infrastruktur in der Vergangenheit, Personalmangel und verspätete Fahrzeuglieferungen zurück. Hier muss der Wachstumskurs der Schiene mit einer Erhöhung der Investitionssummen konsequent fortgeführt werden. Die Realisierung und Beschleunigung dieses Hochlaufs ist die eigentliche Herausforderung. Eine nachhaltige und gesicherte Finanzierung ist dabei für den Wachstumskurs richtig: „Verkehr finanziert Verkehr“. Die Strategie der „Starken Schiene“ der DB muss fortgesetzt und die grüne Schiene ausgebaut werden. Die DB muss dazu auch mehr Eigenmittel für Innovationen einsetzen und schneller werden.

Mehr Transparenz: Die Wahrnehmung, dass die DB eine „Black Box“ sei, spiegelt ggf. die Oppositionssicht wider. Noch nie gab es so viele Berichtspflichten und Parlamentarische Anfragen zum Konzern. Der Wahrnehmung sollte trotzdem Rechnung getragen werden. Zu prüfen sind z.B. eine Stärkung des Eisenbahn-Bundesamtes (EBA), die Zusammensetzung des Aufsichtsrats (mit Opposition?) und ein erweiterter Infrastrukturentwicklungsbericht.

Wettbewerb richtig ausgestalten: Der Wettbewerb auf der Schiene ist wichtig und richtig. Die Bedingungen dabei müssen aber fair sein, u.a. durch gleiche Sozialstandards für Wettbewerbsbahnen, verpflichtende Personalübernahmen, Qualitäts- anstelle von Preiswettbewerb im SPNV, Belohnung von Innovationen und verstärkte Kontrollen im Straßengüterverkehr.

Konzentration auf das Kerngeschäft: Die DB AG hat viele Tochtergesellschaften. Die Beteiligungen werden auf den Prüfstand gestellt und in den letzten Jahren schon reduziert. Aktuell wird der Verkauf von Arriva diskutiert. Viele Beteiligungen ergänzen die Eisenbahn in Deutschland aber auch und sind sinnvoll. Im Sinne der europäischen Idee dürfen keine Scheuklappen bei Synergien und Zukunftsprojekten getragen werden, aber auch keine Verkäufe ausgeschlossen werden.

Eisenbahner*innen einbinden und in Führung bringen: Es muss mehr Möglichkeiten für betriebliches Personal geben sich hochzuarbeiten. Gleichzeitig muss die Einbindung von Mitarbeitern bei Managemententscheidungen stärker erfolgen. Sozialverträgliche Anpassungen im Overhead können auch ein Mittel sein. Der Konzern muss aber für Fachkräfte attraktiv bleiben, um die demographische Herausforderung zu stemmen.

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