Züge würden Grün wählen
Wenn Züge eine Stimme bei der Bundestagswahl am 23. Februar hätten, was würden sie wohl wählen? Wir haben uns die Programme der demokratischen Parteien angeschaut - mit einem Fokus auf die Schienen- und Haushaltspolitik.
CDU/CSU
Die Union möchten die DB AG „verschlanken“ und „neu aufstellen“: „Für mehr Wettbewerb müssen Infrastruktur- und Transportbereich stärker als bisher voneinander getrennt werden.“ Die Konservativen sprechen sich für Erhalt vor Neubau aus und wollen für langfristige Finanzierungsstabilität sorgen. Die Union wirbt für dauerhafte Finanzierungsstabilität bei der Infrastruktur „unabhängig von schwankenden Haushaltsmitteln“, nennt keinen Fonds, will aber auch „dauerhafte Finanzierungsstabilität“ unabhängig von der Haushaltslage für die Infrastruktur, mit „starken Anreizen für private Investoren“.
SPD
Zur DB AG spricht sich die SPD für die Erhaltung des integrierten Konzerns im öffentlichen Eigentum aus, fordert aber mehr Kontrolle und Steuerung des Bundes. Die Sozialdemokraten möchten einen „Deutschlandfonds“ in Verbindung mit einer Schuldenbremsenreform: „Deshalb wollen wir die Schuldenregel im Grundgesetz so reformieren, dass sie keine Investitionen in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes und in den Wohlstand behindert.“
Bündnis 90/Die Grünen
Die Grünen gehen auf die Struktur der DB AG nicht ein und fordern nicht wie in früheren Programmen die Trennung von Netz und Betrieb. Die Grüne Bundestagsfraktion hatte im Herbst eine Bahnstrategie verabschiedet. Auch da wird keine Trennung mehr gefordert, wenn die angestoßenen Reformen gut umgesetzt werden. Ggf. soll DB Energie noch in die InfraGO integriert werden. Die Grünen wollen die „Schiene sanieren und mit Hochdruck“ ausbauen und setzen wie die SPD auf einen „Deutschlandfonds“ in Verbindung mit einer Schuldenbremsenreform: „Hierfür benötigen wir langfristig neue Finanzierungsmodelle, die gleichzeitig verkehrsverlagernde und ökologische Wirkungen beinhalten. Damit wollen wir die Finanzierung unserer Infrastruktur auf eine sichere und langfristige Basis stellen. Durch erhebliche Investitionen in umfassende Barrierefreiheit, sichere Haltestellen und attraktive Mobilitätsangebote stellen wir sicher, dass klimafreundliche Mobilität für alle zugänglich ist und der Verkehrssektor seine Klimaziele erfüllen kann.“
FDP
Die FDP fordert klar die Trennung von Netz und Betrieb, pocht auf die Einhaltung der Schuldenbremse und will den „Finanzierungskreislauf Straße stärken.“ Die FDP möchte „die ambitionierte Sanierung der Hauptverkehrsadern“ überprüfen und bei nachgewiesenem Erfolg „fortsetzen“. Bei der FDP gab es zur Schiene Ergänzungsanträge von den Fachpolitiker:innen: „Das Netz soll aus dem DB-Konzern herausgelöst, als eigenständige GmbH im Bundeseigentum geführt, der Bahnbetrieb privatisiert werden. ... Die DB Holding lösen wir auf, um Machtkonzentrationen zu beenden.“
Die Linke
Die Linke macht keine konkreten Aussagen zur DB AG und möchte mit einer Reform beziehungsweise mit der Abschaffung der Schuldenbremse für mehr Investitionen sorgen. Die DB AG soll zu „bezahlbaren Preisen“ verpflichtet werden. Das 9-Euro-Ticket soll wieder eingeführt werden und u.a. sechs Freifahrten für den Fernverkehr enthalten.
Fazit
Union und FDP setzen also auf Strukturdebatten, die den Bahnsektor weiter lähmen würden, statt die aktuellen Reformen zu fördern und die Finanzierungsstrukturen neu zu ordnen. SPD und Grüne vertrauen der begonnenen Reform und fordern in Teilen mehr Steuerung durch den Bund. SPD und Grünen eint auch den Ruf nach einem überfälligen Deutschlandfonds. Die Grünen gehen dabei noch weiter und setzen einen Fokus auf eine klimafreundliche Mobilität. Die Linke setzt einen deutlichen Fokus auf die Schiene, baut aber ein Finanzierungsluftschloss.
Die Grünen EVGler:innen rufen auf zur Wahl zu gehen, für eine demokratische Partei zu stimmen und die Schiene mit ihrer Stimme zu stärken. Unsere Wahl ist klar Grün!
P.S. Wer in der Analyse die AfD und das BSW vermisst: Die Grünen EVGler:innen stehen für eine demokratische, vielfältige und offene Gesellschaft. Diese Werte werden von diesen beiden Parteien nicht geteilt. Und wen es trotzdem interessiert, hier ein paar Originalzitate aus deren Wahlprogrammen:
„Die AfD unterstützt und fördert den motorisierten Individualverkehr als beliebteste Möglichkeit der Fortbewegung.“ Sie ist für den langfristigen „Fortbestand des Verbrennungsmotors“ und will den Flugverkehr weiter ausbauen: „Der globale Flugverkehr ist von elementarer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland und darf nicht kurzsichtig einer unwissenschaftlichen Klima-Hysterie geopfert werden.“ Diese Position halten wir angesichts der nachweislichen Klimaschäden und -opfer für menschenverachtend. Daran ändert auch das wohlfeile Lippenbekenntnis der AfD zum „einfachen und zuverlässigen Modell der Schweiz“ für das Bahnsystem nicht.
Auch das BSW buhlt um die Gunst klimawandelverleugnender Autofahrer:innen: „Die Abzocke an Autobahnen ist ein teures Ärgernis“. Zudem fordert das BSW „preiswerte Kraftstoffe“ und kündigt an: „Das Verbrennerverbot wollen wir kippen.“. „Die Einstiegsrate für das monatliche Leasing [eines Autos] sollte sich am Preis für das Deutschlandticket orientieren“. „Es braucht mehr Geld für den Straßenbau“, „daher müssen jetzt Schlaglöcher gestopft werden und nicht nur Haushaltslöcher“: „wo neue Straßen nötig sind, wollen wir sie bauen.“ Fast schon von der AfD abgeschrieben: „Wir fordern ein integriertes und getaktetes Bahn- und ÖPNV-Konzept nach Schweizer Vorbild.“
Das wünschen wir uns auch, jedoch mit dem entscheidenden Unterschied: Pro Einwohner:in zahlt die Schweiz nahezu den fünffachen Betrag für ihre Bahn im Vergleich zu Deutschland. Infrastrukturfinanzierung folgt in der Schweiz nicht wechselnden politischen Winden und volatilen Haushaltslagen, sondern wird durch einen mehrjährigen Infrastrukturfonds nachhaltig planbar für Industrie, Bevölkerung und Eisenbahner:innen sichergestellt. Daher ist die Bahn in der Schweiz zuverlässig, denn ihre Finanzierung ist ausreichend und zuverlässig
Die demokratischen Parteien haben die Finanzierung mindestens als den Hauptstellhebel erkannt und benannt. Wer von ihnen mehr Geld für das Bahnsystem verlagern will, um die Verkehrswende für das Klima zu ermöglichen, haben wir aufgezeigt. Die populistischen Parteien werben mit dem Vorbild Schweiz, ohne sich zu dessen Voraussetzung zu bekennen: Die Priorisierung öffentlicher Mittel für die energiesparende klimafreundliche Schiene gegenüber Straße und Luftfahrt!
Wir sind überzeugt, dass sich Wähler:innen nicht täuschen lassen: Wer eine starke Schiene will, wird die eigene Stimme für die eigene Überzeugung verantwortungsvoll einsetzen.